Geheimnisvolles Felsenmeer

Das nahe der historischen Grenze zwischen dem märkischen und kurkölnischen Sauerland gelegene „Felsenmeer“ bei Hemer (58675, Märkischer Kreis, NRW) ist wohl eine der interessantesten und geheimnisvollsten Landschaftserscheinungen Deutschlands. Eingebettet in einen rund 150 Jahre alten Buchenwald ist dieser felsige, doch mit einer Länge von rund 800 Metern und einer Breite von ca. 400 Metern recht kleine Geländestreifen, aus geologischer, biologischer und – wie wir nun wissen – besonders aus archäologischer Sicht einzigartig!

Dies wird allein schon aus dem Faktum deutlich, dass schlüssige, wissenschaftlich fundierte Erklärungen für Ursprung und heutiges Erscheinungsbild des sogenannten „Felsenmeeres“ erst in den letzten beiden Jahrzehnten des 20. Jh. gefunden wurden!


Geologisch betrachtet, hat es seine Lage am östlichen Rand eines von Wuppertal bis Balve reichenden Massenkalkzuges, eingebettet in das Rheinischen Schiefergebirge.
Beherrscht wird das heutige Felsenmeer von den hier vorkommenden Karsterscheinungen wie Versturz- und Karrenfeldern sowie mächtigen Kalkrippen und Gräben. Dies alles hat seine Grundlage in einem hier offen liegenden „Gundhöckerrelief“ (Hoffstätter, Müncheberg-Pfeffer), welches vermutlich im Erdzeitalters des Tertiärs entstand, und einer nachprägenden tektonischen Kluftbildung. Hinzu kommen durch Bergbau geschaffene Dolinen- und Pingenzüge sowie großräumige Tagebaue.
Unter Tage ist das gesamte Gebiet von natürlichen Höhlen und künstlich geschaffenen Hohlräumen (= Stollen) durchzogen. Das Grundlagengestein ist mitteldevonischer Massenkalk mit einer maximalen Mächtigkeit von 1000 Metern und einem Alter von rund 360 Millionen Jahren.

Aus diesem Grund wurde das Felsenmeer 2008, als „nationales Geotop“ ausgezeichnet!

Von Seiten der Flora und Fauna sind zunächst für das Felsenmeergebiet der vorherrschende „Waldmeister-Buchenwald“ sowie Reste eines „Schluchtwaldes“ zu beachten. Diese bieten nun auch dem übrigen Pflanzenbestand weitreichende Entfaltungsmöglichkeiten. Hiervon seinen nur die Vorkommen von Trauben-Holunder, Aronstab, Teufelskralle, Waldveilchen und Weißwurz genannt.
Die Tierwelt des Felsenmeerbereiches ist durchaus als reichhaltig anzusprechen.
Neben den, in heimischen Mittelgebirgsregionen üblich vorkommenden, Feld-, Wald- und Schluchten-bewohnern wie Reh, Hase, Kaninchen, Fuchs und Dachs sowie kleineren Säugern, ist das Vorkommen einer durchaus selten vorkommenden Tierpopulation zumindest nicht auszuschließen: jener der Wildkatze! Vermuten lassen das Sichtungen im Umfeld des Felsenmeeres, noch vor rund dreißig Jahren, besonders aber Schädelfunde aus den Höhlen.
Die schon immer für die Felsenmeerhöhlen und -stollen beschriebenen Fledermausvorkommen haben in den letzten zwei Jahrzehnten wieder erheblich zugenommen. Vorwiegend anzutreffen ist das Große Mausohr (Myotis myotis), aber auch die Wasser- und sogar die Mopsfledermaus. Reich ist die Reptilien- und vor allem die Käferfauna. Unüberhörbar die der Vogelgesellschaften.
In den Tiefen der Höhlen und Grotten sind jedoch auch noch wesentlich stillere und merkwürdigere Bewohner anzutreffen! So u. a. die Pilze, von denen einige für den unbedarften Höhlenwanderer durchaus Gefährdungs-charakter besitzen können.
Ein Grund mehr, keine eigenmächtigen Touren ins unterirdische Labyrinth der teilweise einsturzgefährdeten Höhlen- und Stollengänge zu unternehmen!

Geländeprägend griff der Mensch schon vor über eintausend Jahren in das Felsenmeergeschehen ein und zwar durch massive Bergbautätigkeit, – dies in mindestens zwei Phasen!

Die älteste bislang bekannte schriftliche Erwähnung des neuzeitlichen Felsenmeerbergbaus findet sich in einem Bericht über Bergwerke und Salinen der Grafschaft Mark aus dem Jahre 1688. Dort heißt es: „Eysenbergwerk Ambts Iserlohn im Kirspel Hemeren, der Perick genannt. Dieses hat dem Bericht nach über 100 Jahre wüst gelegen….“ (Ewig nach Jacob).

Dieses verlassene Altbergwerk wollten nun die Gebrüder von Brabeck wieder in Betrieb nehmen und erhielten hierfür die Genehmigung im Jahre 1684. Diese Bergbauphase dauerte immerhin bis 1871, dann wurden die Gruben, vorwiegend aus wirtschaftlichen Gründen, geschlossen. Noch heute ist diese neuzeitliche Abbauphase auch über Tage an diversen Stellen im Felsenmeer gut auszumachen. Dies ist auch nicht verwunderlich, waren doch in der Blütezeit der „Grube Helle“ (ca. um 1750) bis zu 20 Bergleute dort beschäftigt. Rund 25 bis 30 Schächte wurden abgeteuft. Abgebaut wurden Eisenerzvorkommen mit einem Roteisensteinanteil von 40 bis 60 %. Dieses war in den Klüften des Kalkgesteins primär eingelagert worden. Die Verhüttung geschah in den Schmelzhütten von Wocklum, Oberrödighausen und Sundwig.

Dass der Felsenmeerbergbau auf jeden Fall schon vor dem 30jährigen Krieg im Felsenmeer umging, nahm also auch schon Jacob 1688 an. Johann Caspar Lecke ging in seiner Chronik um 1760 noch weiter und schrieb dem Felsenmeerbergbau ein Alter von 1000 Jahren zu. All dies war bis vor wenigen Jahren jedoch nicht beweisbar und erntete bei den meisten Wissenschaftlern und versierten Laien nachsichtige bis herbe Kritik. Doch zu unrecht, wie wir heute wissen!

1982 entdeckte eine Forschungsgruppe der SGS einen seit 1000 Jahren unberührten Altbergbau!

Seit dieser Zeit wird an diesem bisher in seiner Komplexität einmalig in NRW dastehenden Grubenfeld intensiv, in Zusammenarbeit mit den zuständigen Fachbehörden und -instituten, Bergbauforschung betrieben.
Die vielschichtigen Arbeiten auch nur in groben Zügen zu schildern, würde an dieser Stelle zu weit führen (hier sei auf die aktuellen Veröffentlichungen im „Anschnitt“ (Bergbaumuseum Bochum) und beim Papenbusch-Verlag (Menden) verwiesen). Eine weiterführende Monographie ist in Vorbereitung.

Als Zusammenfassung kann jedoch vermerktwerden, dass die bisherigen und aktuellen Forschungs-ergebnisse derzeit folgendes Bild ergeben:

Im Bereich des sog. „Felsenmeeres“ bei Hemer wurde zumindest zwischen dem Ende des 10. und 13. Jh. n. Chr. ein spezieller Tiefbau auf hochwertigen Eisenstein betrieben.

Gefördert wurden dabei hauptsächlich flusskieselartig gerolltes Erzgestein mit einem Roteisensteingehalt von über 80 %, welches aus Ablagerungsschichten (Sekundärlagerstätten) innerhalb bis zu 20 Meter mächtiger Höhlenflusssedimente (wahrscheinlich Tertiär) gewonnen wurde.

Derzeit sind im Bereich des Felsenmeeres ca. 70 Höhlen und Stollen bekannt. Während die Stollen fast vollständig dem neuzeitlichen Bergbau auf geringwertigere Primäreisenerze zuzuordnen sind, kann davon ausgegangen werden, dass die in der Masse verbleibenden (natürlichen) Hohlräume von den Bergleuten des hochmittelalterlichen Abbaus wieder befahrbar gemacht wurden. Daraus folgernd, sowie aus weiteren eindeutigen Abbauspuren, kann davon ausgegangen werden, dass auch das übertägige Felsenmeer zumindest in den Bereichen III, IV und V sein Erscheinungsbild heute noch dem hochmittelalterlichen Bergbau verdankt.

Die frühen Bergleute waren Meister ihres Faches! Erkennbar ist dies nicht nur an der zweckmäßigen und sauberen Führung der Gänge und Schächte; sondern auch im Hinblick auf die Sicherheitsausbauten. Anhand der angebrachten Steigehilfen kann sogar auf die „Normgröße“ der Bergleute (ca. 145 – 155 cm) geschlossen werden.

Das hochmittelalterliche Grubenfeld „Felsenmeer“ („Durin Hallen“) ist sicherlich nicht isoliert zu betrachten! Sich teilweise schon in Sichtweite befindlichen Schlackenplätze (in den Randzonen des Balver Waldes die größten Südwestfalens) und diverse Befestigungssysteme (von der wassergrabengeschützten Turmburg, bis zu ausgedehnten Wall-Graben-Systemen) scheinen in diesen Montankomplex eingebunden zu sein.

Demnach zeigt das o. g. Erscheinungsbild (inkl. der beschriebenen aktuell erfassten Fundlagen) des Gesamtkomplexes „Felsenmeer-Deilinghofen-Balver Wald“ deutliche Züge einer bedeutenden hoch-mittelalterlichen Montanregion mit „präindustriellem“ Charakter!

Soweit die kurze Zusammenfassung der derzeitigen Forschungslage.

Gern beantworten wir Fragen zu den oben beschriebenen Untersuchungen; auch praktische und finanzielle Hilfestellungen sind – natürlich – gern gesehen.

Wolfgang Hänisch
Programm „Altbergbau Felsenmeer“